Präsentieren ohne Angst
Auf der Bühne stehen, vor eine Gruppe gehen, referieren, präsentieren. Das verursacht Stress. Aber warum eigentlich? Weil unser Publikum uns einordnet, bewertet und kategorisiert. Weil wir Angst haben, uns Blöße zu geben, untergraben, angegriffen und kritisiert zu werden.
Es ist völlig normal, dass unser Körper in solch einer Situation Stresshormone freisetzt.
Das ist – je nach Typ und Situation – Adrenalin, das einen in Kampfmodus bringt, oder Cortisol, das einen Fluchtreflex auslöst. Beides verursacht Spannungen, die durchaus Sinn machen, denn sie helfen uns, vor dem Tiger zu flüchten oder gegen das Mammut zu kämpfen. Übrigens ist es ein Mythos, dass Männer mehr Adrenalin ausschütten als Frauen und damit kämpferischer sind. Adrenalin ist bei beiden Geschlechtern gleichmäßig verteilt. Dass sich Frauen schneller ducken und Männer eher in Kampfbereitschaft gehen, ist eine anerzogene Reaktion.
Wir kommen in eine Stress-Spirale.
Die Muskelspannung im Körper wird erhöht und die Herzfrequenz geht nach oben, der Kopf spielt verrück und wir produzieren Schweiß. Wir verlieren die Kontrolle über die konstante, ruhige Zwerchfellbewegung und die Stimme beginnt zu zittern. Der Kehlkopf ist angespannt und die Stimme rutscht höher. Das Gehirn arbeitet auf Hochleistung und wir verarbeiten Informationen rasend schnell. Das wiederum lässt unsere innere Uhr schnell ticken, wodurch der Bruchteil einer Sekunde uns schon wie eine Ewigkeit vorkommt.
Unsere Außenwirkung bekommt Risse. Und das verursacht nur noch mehr Stress, da wir unseren Souveränitätsverlust sozusagen live miterleben. Wenn wir nicht dagegen arbeiten können, kommt es zu einer Spirale, die uns subjektiv den Boden unter den Füßen wegzieht.
All dies sind natürliche Prozesse.
Nur sind diese sehr hinderlich, wenn Sie vor Menschen stehen und überzeugend und souverän wirken sollen oder müssen. Was also tun?
„Angriff ist die beste Verteidigung“ ist eine verbreitete Taktik. Kraftvoll und mit Kampfgeist steuern wir gegen die Unsicherheit an. Wir machen uns groß und stark, und wischen die Unsicherheit einfach beiseite. Mit großem Einsatz überzeugen wir uns von uns selbst. Diese Taktik funktioniert kurzfristig und hat auch ihre Berechtigung. Doch was passiert auf Dauer?
Die Gefahr liegt darin, dass wir uns selbst betrügen. Wir heben uns über unsere Empfindungen hinweg und verlieren den Bezug zu uns selbst. Zwangsweise schotten wir uns auch vor den Empfindungen anderer ab, wodurch wir den Bezug zu unseren Mitmenschen, unseren Mitarbeitern verlieren.
Lernen, mit Stress richtig umzugehen.
Das wichtigste ist, sich die körperlichen und geistigen Reaktionen auf Stress zu vergegenwärtigen, sie zu akzeptieren und zu lernen, damit umzugehen. Dies bedeutet, Sensibilität für sich und seinen Körper zu entwickeln, um überhaupt spüren zu können, was in uns vor sich geht. Gleichzeitig entwickeln wir auch eine Sensibilität für unser Gegenüber, und lernen zu lesen, was im anderen vor geht.
Es gilt zu entspannen und Techniken zu lernen, wie man Spannungen im eigenen Körper abbauen kann, wenn diese mich in meinem Handeln und meinen Absichten zu behindern drohen. Und gerade hier sind wir Schauspieler und unsere Erfahrung gefragt, um diese an die Wirtschaft weiterzugeben. Denn auf der Bühne zu stehen, vor einem Publikum, das ist unser Beruf. Als Schauspieler haben wir gelernt, bewusst in Stresssituationen körperlichen Reaktionen entgegenzusteuern und sie zu unserem Vorteil zu nutzen.
Stress ist nicht negativ.
Im Gegenteil. Stress lässt uns zu hochsensiblen und rasend schnell denkenden Wesen werden, die perfekt agieren und reagieren. Doch dies benötigt ein tiefes Vertrauen und Selbstbewusstsein, dass das, was mein Körper tut, genau das richtige ist.
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Autor Simon Reimold
Simon ist Schauspieler, Regisseur und Autor. In Berlin geboren, studierte er Schauspiel und Sprecherziehung als Meisterschüler von Helmut Schweiger an der Bruckner Universität Linz.
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