Vor der Kamera überzeugen
Vor der Kamera stehen ist nicht einfach!
Und erst recht nicht, wenn es ein Close-up ist, also eine Naheinstellung der Kamera, wie so oft bei Interviews. Diese Nähe der Kamera kann unsere natürliche Wirkung gewaltig stören. Wir können aber von Profis lernen, und welche Profis sind geeigneter als Menschen, die täglich vor der Kamera stehen?
Eben Schauspieler.
Die unterschiedlichen Redner-Typen
Mein Lehrer für Camera Acting in Berlin, der Schauspieler Frank Kirschgens meinte, es gäbe zwei verschiedene Kategorien von Protagonisten. Die einen tun sich schwer auf der Bühne, wenn alle Augen auf sie gerichtet sind. Dafür flirten sie bei Filmaufnahmen richtiggehend mit der Kamera. Andere blühen förmlich auf, wenn sie vor Publikum auftreten, je größer desto besser. Dagegen haben sie Schwierigkeiten, sich vor dem auf sie einschüchternd wirkenden Setup von Kamera und Technik zu öffnen.
Im Auge des Anderen leben
Als ich zum ersten Mal vor der Kamera in der Nahaufnahme stand, hat mir dieses künstlich aufgesetzte Umfeld nichts ausgemacht. Ich persönlich gehöre zu der Sorte Mensch, der sich nicht unbedingt wohl vor einer Gruppe fühlt. Je größer die Menge, je anonymer und fremder das Publikum, desto schwieriger wird es für mich. Dann bin ich gehemmt und alles andere als authentisch.
Der tschechische Autor Milan Kundera schrieb in einem seiner Bücher „im Auge des Anderen zu leben“. Das ist es wohl. Ich sehe mich mit den Augen meines Gegenübers und sorge mich zu sehr, was meine Zuhörer über mich denken, statt bei mir zu sein.
Auseinandersetzung mit der eigenen Wirkung
Sich das erste Mal selbst in Aktion zu sehen, zum Beispiel in einem Interview, kann ziemlich irritierend sein. Aber es ist eine gute Gelegenheit, sich mit sich selbst, mit seiner Wirkung, mit seinen Vorzügen, aber auch mit dem, was verbesserungswürdig ist, auseinanderzusetzen.
Bei der Durchsicht meiner ersten Aufnahmen zum Beispiel, fiel mir etwas auf, was ich im ersten Moment erschreckend fand: meine unruhigen Augen. Ständig wanderten sie hin und her im Raum. Für den Zuseher ziemlich irritierend. Ich mache das völlig unbewusst, aber es scheint mir bei meiner Konzentration zu helfen. Es ist, als würde ich mir den Rückhalt für meine Konzentration aus dem Raum holen. Stattdessen sollte ich mir die Konzentration, die Gedanken und auch den Text, bildlich gesprochen, von meinem Gegenüber oder vom Publikum abholen.
Blicke bewusst setzen
Wir können lernen mit den Augen und Blicken mit Bedacht zu arbeiten, denn Bewusstheit ist zielgerichtet. Wenn ich an meiner Wirkung arbeiten möchte, sollte ich alles Unbewusste schrittweise reduzieren. Blicke, in den Raum gesetzt, können viel bewirken. Aber nur, wenn sie bewusst gewählt werden.
Das Gleiche gilt für Hände und Mimik. Auch hier ist mir aufgefallen, dass ich Sachen mit dem Gesicht mache, die mir gar nicht klar waren. Spielastik nennt man das im Theater: übertriebenes Getue und Grimassenschneiden, eine Art nervöser Aktionismus. Das Thema Mimik und Gestik vor der Kamera ist allerdings ein weites Feld und Stoff für mindestens einen eigenen Blogbeitrag.
Für das Thema brennen
Wenn Du vor der Kamera stehst, denke nicht daran, wie Du aussiehst oder wie Du wirken möchtest. Bleibe selbstbewusst, gelassen und fröhlich. Sei ganz beim Thema, beim Inhalt, bei Deiner Aussage. Wenn Du für das, was Du sagst, brennst, hast Du spielend eine überzeugende und authentische Ausstrahlung.

Autor Boris Prodanovic
Boris war in seiner Tätigkeit als Manager, Unternehmer und Business Consultant auf unterschiedliche Art in zwischenmenschliche Kontexte eingebunden. Die Arbeit in der Wirtschaft ist in erster Linie eine Arbeit mit Menschen. Mehr erfahren Sie hier: Boris Prodanovic