Vom Kind zum Erwachsenen und wieder zum Kind
Als Kinder kommen wir auf die Welt. Unbedarft, frei, leicht, offen, neugierig, bewundernd, fasziniert. Voller Potenzial, voller Begeisterung, mit einem riesigen Forscherdrang. Wir wollen uns erkunden, unser Umfeld erkunden, die Welt erobern. Alles ist möglich. Wir sind wie eine Klaviatur, auf der wir zu spielen beginnen.
Wie klinge ich? Welche Töne habe ich? Spielen ist lernen. Ich fange an, mich auszudrücken, mit allen Tönen. In allen Lautstärken. Unmittelbar, direkt, ehrlich, fantasievoll. Wir springen in Pfützen, singen, lachen, weinen, schreien, brabbeln. Wir probieren aus, stehen, laufen, fallen hin, stehen wieder auf. Laufen weiter. Das erste Wort. Der erste Satz. Das erste Lied.
Wir lernen durch Imitation.
Was leben Eltern Ihren Kindern vor und was lernen wir von Ihnen? Viele lernen, wie man unglücklich ist, wie man morgens gestresst aus dem Haus geht und abends noch gestresster wieder nach Hause kommt. Wir lernen, was wir alles noch lernen müssen, was wir noch nicht können, was wir nicht dürfen, was wir wie machen sollen und überhaupt machen wir alles falsch. Wir vergleichen, verurteilen, halten zurück und wir verschließen uns. Mehr und mehr Töne auf der Klaviatur verschwinden. Als Erwachsene haben wir nur noch zwei oder drei Akkorde in unserem Repertoire.
Unser Potenzial ist ausgeblutet, die Lebensfreude erstickt, die Begeisterung weggeschlossen. Wir lernen auf Nummer sicher zu gehen.
Wir verlernen zu leben.
Gehen wir auf Nummer sicher, stehen wir mit einem Fuß im Grab. Warum dann nicht gleich ins Grab legen? Gehen wir auf Nummer sicher, findet keine Begegnung statt, kein Kontakt. Auf der Bühne des Lebens zeigen wir nur eine Kopie, ein Abziehbild. Eine Fassade. Schwarz und weiß. Sicherheit ist der Tod der Kreativität, der Spontanität, des Flows, des Lebens.
Es geht für mich darum, das Leben wieder zu lernen. Das Leben er-leben, es als das zu begreifen, was es ist: ein Abenteuer, eine Reise. Springen, ohne Fallnetz. Sich hingeben, öffnen, sich verletzlich machen, sich zeigen. Wirklich zu zeigen.
Hier und jetzt.
Und das geht nur jetzt. Nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern hier und jetzt. Lernen im Moment zu sein. Begreifen, dass nichts anderes existiert als dieser Augenblick in seinem momentanen Ausdruck. Das Leben, dass sich zeigt in unzähligen Formen. In unendlicher Fülle.
Ich möchte mich wieder verbinden. Ehrlich und mutig. In einer ehrlichen und wahrhaftigen Verbindung mit mir selbst auf allen Ebenen. Mich wirklich öffnen. Zeigen. Mich auf die Bühne zu stellen. Nackt. Mich nackt machen. Schutzfassaden abblättern lassen. Überlebensstrategien loslassen und Schutzhüllen ablegen.
Was sehe ich? Wen sehe ich? Wer zeigt sich?
Ich sitze im Zuschauerraum. Mit mir und meinen Anteilen. Wer bin ich und wenn ja wie viele? Der Kritiker, der Verurteiler, der Runtermacher, der Antreiber, der Besserwisser, der Bewerter, der Unsichere, der Ängstliche, der Visionär, der Träumer, das ungeliebte Kind, das geliebte Kind. Töne auf der Klaviatur – verrostet, verstaubt, ausgeleiert.
Ich gehe in Verbindung zu mir selbst und allem in mir. In Verbindung zu meinem Umfeld, meinen Mitmenschen, Tieren, der Natur. Ich erkenne, erfahre und begreife wer ich bin in Beziehung zu meinem Gegenüber. Das ist der Sinn von Beziehung. Ohne ein Gegenüber, sowohl im Außen als auch im Innen, existierst Du nicht.
Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung.
Veränderung geht einher mit Verstehen, Erkennen, Begreifen, Annahme, Vergebung, Wertschätzung, der Fähigkeit zu verändern – und der Bereitschaft dazu.
Ich muss bereit sein. Ich muss mich verändern wollen. Dann beginnt das Leben wieder. Dann werden wir als Erwachsene wieder zu Kindern. Wieder in Pfützen zu springen. Mit den Augen berühren, den Ohren riechen, der Nase hören und mit dem Mund sehen. Im Handstand tanzen. Mit mir und meinen Rollen spielen. Mich wieder entwickeln. Mich und das Leben feiern.

Autor Volkram Zschiesche
Ausgehend von der darstellenden Kunst entwickelte der Diplomschauspieler ein Konzept zur Persönlichkeitsentwicklung mit dem er auf mentaler, emotionaler und körperlicher Ebene Bewusstsein schafft…
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