Passt der Chef zum Kandidaten?
Die Personaldiagnostik ist ein fester Bestandteil für persönliche wie auch organisatorische Weiterentwicklung. Allerdings steigen die Anforderungen an die Reflexionsarbeit mit personaldiagnostischen Instrumenten und das in einem rasanten Tempo.
Ständig entstehen neue Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund zunehmend globaler und dynamischer Märkte.
Mit dem Anspruch gute Führung modern zu leben und gleichzeitig Gesellschafter oder Eigentümer zufrieden zu stellen, bedeutet das für Führungskräfte in der Praxis ein regelrechtes „Slalomrennen“.
Welche Auswirkungen hat diese Schnelllebigkeit auf die Wirksamkeit und Anwendbarkeit von personaldiagnostischen Verfahren?
Aktualität des Geschäftsmodells als Grundlage
Personaldiagnostische Maßnahmen sollten zum Ziel haben, den Menschen auf die steigende Dynamik im jeweiligen Berufsumfeld und innerhalb der Organisation einzustimmen.
Es braucht ein klares Bild des Ist-Zustandes und einen Abgleich der Realitäten im Unternehmen, mit der Branche und der globalen Wirtschaftslage. Dazu muss das Geschäftsmodell den veränderten Rahmenbedingungen angepasst und aktuell gehalten werden.
Auf dieser Basis kann ein angemessener Kriterienkatalog für ein professionelles Auswahlverfahren oder eine Potenzialanalyse, ob Management Audit oder Einzel-Assessment, erstellt werden. Ohne einen klaren Blick auf veränderte Realitäten und daran abgeleiteten Anforderungen wird allzu oft und voreilig eine falsche Personalentscheidung getroffen.
Der Mensch steht im Vordergrund
Dennoch steht trotz aller harten Fakten der Mensch immer im Vordergrund. In Zeiten von hoher Fluktuation und schwindender Identifikation ist die Passung des Mitarbeiters mit dem Unternehmen, insbesondere hinsichtlich emotionaler Verbundenheit und Motivation, von zunehmender Bedeutung.
In diesem Kontext ist eine intensive Beschäftigung mit den Stärken und Schwächen seitens des Unternehmens grundlegend. Letzten Endes dürfen sich die Personalentscheider die Frage stellen, warum sollte der Kandidat gerade in ihrem Unternehmen arbeiten wollen. Welche attraktiven Perspektiven werden dem Kandidaten angeboten?
Wie sieht es mit der Unternehmenskultur aus? Werden die Werte auch tatsächlich gelebt und vorgelebt?
Beispiel aus der Praxis
Ein Mittelstandsbetrieb im gewerblichen Dienstleistungssegment mit ca. 500 Angestellten sucht eine technische Leitung. Neben den klassischen Fachanforderungen, wie beispielsweise der gewerberechtlichen Erlaubnis, spielen weitere generische Anforderungskriterien eine Rolle.
Wenn man jetzt die klassischen Kriterien einfach in sein Pflichtenheft adaptiert, bewegen wir uns auf eine Zeitreise zwanzig Jahre zurück.
Zeitgemäß ist eine aktuelle Analyse des Geschäftsmodells, sowie eine personaldiagnostische Bewertung der Aufgabe sowie aller beteiligten Schlüsselpersonen, die unmittelbar zusammenarbeiten werden.
Und nun wird es spannend. Denn es geht nicht nur um die Frage, ob der Mensch zu der Rolle und Verantwortlichkeit passt. Vielmehr steht im Vordergrund, ob die persönlichen Präferenzen und Neigungen des Mitarbeitenden grundsätzlich mit dem Umfeld, der Aufgabe und der Perspektive übereinstimmen. Was müsste der Auftraggeber konkret zur Gestaltung von idealen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit beitragen?
Eine Personaldiagnostik ist immer nur so gut wie der Auftraggeber
In der Umsetzung hat sich in diesem Praxisfall der geschäftsführende Auftraggeber auditieren lassen. Im konkreten Ergebnis ist erkennbar, dass der Auftraggeber Schwierigkeiten beim Delegieren hat und zum Micromanagement neigt. Darüber hinaus fehlt es an der nötigen Empathie. Sein Führungsstil birgt Konfliktpotenzial und die Gefahr von Missverständnissen in sich.
Der ursprünglich angedachte Anforderungskatalog für die technische Leitung wurde nun aufgrund der Auditierung umgeschrieben. Es bestand jetzt Klarheit über Führungs- und Unternehmenskultur, die Aufgabe und das Kandidatenprofil.
Erfolgreiche Personaldiagnostik hat anwendungsorientiert zu sein und muss sich auf die echten Herausforderungen im Unternehmen konzentrieren. Letzten Endes geht es immer darum, den Menschen und die Organisation in ihrer jeweiligen Authentizität zusammen zu führen, um gemeinsam und werthaltig wachsen zu können.

Autor Lars Oliver Bialek
Die Arbeit von Lars ist geprägt von Serviceorientierung, einem anpackenden Pragmatismus und dem sicheren Gespür für sein Gegenüber. Er weiß, wie er Menschen erreicht, begeistert und über sich hinauswachsen lässt. Mehr erfahren Sie hier: Lars Oliver Bialek