Per Anhalter zum Traumjob
Jobsuche ist kein Honigschlecken. Während wir tief im Bewerbungsprozess stecken, empfinden wir diesen als puren Stress und wir können es nicht abwarten, bis nach was-weiß-ich-wie-vielen Runden endlich das heiß ersehnte Angebot kommt. Oder wir frei nach dem Film ‚Mrs. Doubtfire‘ sagen können: „I. Am. Job“.
Im Grunde genommen ist der Bewerbungsprozess eine wunderbare Gelegenheit, sich mit seinen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen. Nicht nur in der Vorbereitung für ein Job-Interview, sondern auch durch die Analyse des Gesprächsverlaufs im Nachhinein. Was habe ich wie hinübergebracht? Was hätte ich anders sagen sollen und welche Story hat richtig gut funktioniert?
Gute Vorbereitung ist essentiell, aber manchmal geht nicht alles so wie geplant.
Was ist ihre lustigste Anekdote aus dem Bewerbungsprozess? Hier ist meine:
Ich hatte mich auf eine hoch interessante Position beworben und sowohl die erste Gesprächsrunde mit dem Recruiter als auch die zweite mit COO und Recruiter bravourös gemeistert. Nun stand die letzte Runde mit dem CEO an. Die Terminfindung war schwierig, und die einzige Möglichkeit war eine halbe Stunde, just an meinem Geburtstag.
Das allerdings war nicht das Problem für mich. Das Problem war, dass besagter Herr sich auf einer Klausurtagung auf dem tiefsten Land befand. Ich zögerte nicht lange – schließlich wollte ich den Job haben – und sagte nichtsahnend den Termin zu. Ich war gerade erst aus den USA nach Europa gekommen, ein Auto hatte ich noch nicht wieder, und überhaupt kannte ich mich in der Region nicht aus. Nach einigem Suchen auf der Karte hatte ich den Bauernhof, auf dem die Klausurtagung stattfand, schließlich gefunden und die nächste Bahnstation ausgemacht. Von dort aus wollte ich ein Taxi nehmen. Dachte ich mir so.
Pünktlich stieg ich, schick im Kostümchen und auf hohen Hacken, am Bahnhof mitten in Nirgendwo aus meinem Bummelzug aus – und fand mich inmitten einer Kuh-Herde wieder. Weit und breit nichts als wiederkäuende, glückliche Kühe, grüne Wiesen und anmutige Hügel. Von Taxi oder sonstiger Zivilisation keine Spur. Kein Problem, dachte ich, wozu hat man ein Handy. Allerdings nützt das schönste Handy nichts, wenn man keinen Empfang hat.
Ein vorsichtiger Blick auf die Uhr ließ mein Herz in die Hosentasche (oder in diesem Fall eher die Rocktasche) sinken, denn ich hatte noch exakt 20 Minuten Zeit um die 5 km bis zum Ort des Geschehens auf meinen nicht unbedingt wandertauglichen Pumps entlang zu stöckeln. Nicht zu schaffen. Aber Aufgeben war noch nie meine Stärke. Wenigstens wollte ich es versuchen. Schuhe aus, Strümpfe aus und ab ging es, barfuß auf die Straße.
Nicht lange, und ich hörte hinter mir das Geräusch eines herannahenden Autos. Noch nie in meinem Leben war ich alter Angsthase per Anhalter gefahren. Was hatte ich nicht meiner Tochter für Gruselgeschichten übers Trampen erzählt, damit sie ja nicht auf die Idee käme, jemals bei einem Fremden ins Auto zu steigen. Es half nichts, ich musste meinen gesamten Mut zusammennehmen, stellte mich mit ausgestrecktem Daumen an den Straßenrand und zupfte mit der anderen Hand meinen Rock einen halben Zentimeter nach oben.
So lächerlich es ausgesehen haben mag – mein Auftritt am Straßenrand hatte seine Wirkung. Wenig später und auf die Minute pünktlich wurde ich von einem mindestens so gut aussehenden wie gut gelaunten Herrn im Mercedes Cabrio an einem idyllischen Landgasthaus vorgefahren. Zeit um in den Spiegel zu schauen gab es nicht, und so rauschte ich mit zerzausten Haaren aber enormem Energielevel in mein alles entscheidendes Interview.
Das Interview war kurz und intensiv. Ob ich fachlich aufgrund der ganzen Aufregung wirklich überzeugt habe, kann ich nicht sagen. Aber ich war, glaube ich, in keinem Vorstellungsgespräch authentischer als an jenem Tag mitten in Nirgendwo.
Was mir immer in Erinnerung bleiben wird, sind diese drei Sätze:
„Wie um Himmels Willen haben Sie es geschafft, hierher zu kommen?“
„Per Anhalter.“
„Das nenne ich einmal Problemlösungskompetenz!“
Am selben Abend habe ich nicht nur Geburtstag gefeiert, sondern auch meinen neuen Arbeitsvertrag.

Autorin Wiebke Küster
Für Wiebke steht der Mensch in seiner Einzigartigkeit im Mittelpunkt. Neben fachlicher Kompetenz brauchen Führungskräfte persönliche Ausstrahlung, um diese Kompetenz zu transportieren.
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